Stromversorger & Hochwasserschutz – Das Wasserkraftwerk in Philippsthal

Gastbeitrag von Michael Knauf

Schon im 13. Jahrhundert wurde die Wasserkraft zum Antrieb des Mahlwerks mittels Wasserräder von Mühlen genutzt. In Philippsthal errichteten Mönche aus dem Kloster „Kreuzberg“, an einer Engstelle der Werra eine Mühle. Die Familie Aulepp war die letzte Müllergeneration zum Ende des 19. Jahrhundert.

Mit Beginn der Gründerzeit zog die Industrialisierung in das bisher Strukturarme Werratal und in die Vorder-Rhön ein. Um 1898 wurde die ehemalige Mahlmühle abgebaut und an deren Stelle eine Papier-und Patentpappenfabrik mit einem weithin sichtbaren Schornstein errichtet.

Der Unternehmer Paul Schrott nutzte erstmal die Wasserkraft der Werra und erzeugte für den Eigenbedarf, mittels Generatoren, Strom für seine Produktionsanlagen.

Das Wasserkraftwerk im Bau 1907, im Hintergrund die alte Papierfabrik, ehemalige Mühle

Nach der Abteufung des Kaliwerk Hattorf bei 711 Metern im Jahr 1908, wurde mit den Versand der Düngemittel auf eigenen Anschlussgleisen begonnen. Die Holzstoff oder

Papierfabrik in Philippsthal ging durch Kauf in das Eigentum der Gewerkschaft Hattorf über. Die Durchschnittswasserkraft betrug damals 350 PS. Es erfolgte nach dem Erhalt einer Gestattungsurkunde der Bau einer Turbinenanlage.

Im Jahr 1908/09 konnte man die Versorgung mit Strom der Gewerkschaft Hattorf, größten Teils auf Wasserkraft umstellen, die bisher verwendeten Dampfkraftanlagen konnten nun andere Aufgaben erfüllen oder standen in Reserve.

Ein Foto aus dem Jahr 1911, mit Papierfabrik und Wasserkraftwerk"Zentrale", Philippsthal ist noch fast unbebaut

Zur Verwendung kamen im Wasserkraftwerk Philippsthal, im Volksmund auch „Zentrale“ genannt, zwei Francis-Turbinen, mit stehenden Wellen. Zur Unterstützung der Anlage in Philippsthal wurde in der Nachbar-Gemarkung Harnrode fast zeitgleich ein Wasserkraftwerk errichtet.

Die wasserbaulichen Einrichtungen der ehemaligen Mühlenanlage in Philippsthal blieben erhalten, wie das schräg stehende Wehr welches das Oberwasser staut und der alte Mühlgraben zur Ableitung des Wassers.

Die neuen Anlagen fanden in einem schönen Jugendstilgebäude (unverputzte Fassadenteile, ein verputzter Baukörper mit einem gewölbten Dachabschluss) ein würdiges zu Hause.

Jugendstil-Gebäude des Wasserkraftwerk "Zentrale" von Philippsthal erbaut 1908

Nicht nur das Kaliwerk Hattorf sondern auch die Marktgemeinde Philippsthal und die umliegenden Gemeinden wurden nun einige Jahrzehnte mit Strom versorgt. Im Jahr 2005 veräußerte das Kaliwerk Hattorf (ehemals Gewerkschaft Hattorf) die Wasserkraftwerke.

Der neue Eigentümer in Philippsthal wurde die Firma AUF Eberlein & Co GmbH. Der Geschäftsführer Herr Fritz Eberlein aus Rothenburg ob der Tauber, investierte um die 1,2 Millionen Euro für den Umbau und die Generalsanierung des Wasserkraftwerks in Philippsthal. Es kamen innovative Technologien zum Einsatz.

So wurde durch den Einsatz von beweglichen Klappen eine Stauerhöhung von 40 cm erreicht und in diesem Zuge die feste Wehrschwelle abgesenkt.

Die Kraft des Wassers mit einer Fallhöhe um die 2,60 m

Diese Maßnahme erhöht nicht nur den Hochwasserschutz für die Anlieger der Stadt Vacha sondern steigert auch die Produktivität der Anlage.

Eine Francis-Turbine wurde generalsaniert, wobei die Zweite durch eine neue, moderne Kaplan-Turbine ersetzt werden konnte. Des Weiteren wurde eine fischfreundliche und kapazitätssteigernte Restwasserschnecke eingebaut.

Die Durchgängigkeit für Fische am Standort, ermöglicht eine neue Fischaufstiegstreppe als Schlitzpass und eine Fischabstiegsmöglichkeit.

Die Patentpappen-und Papierfabrik, links das Kraftwerk, um 1920

Weiterhin trägt der Einbau eines Horizontalrechens aus Edelstahl V4A mit nur 15 mm breiten Durchlässen zum umfassenden Fischschutz bei. Eine Aus- und Einstiegsstelle erleichtert Kanuwanderen das angenehmere und sichere Umsetzen des Kanus.

Das Wasserkraftwerk Philippsthal ist ein Laufwasserkraftwerk, das heißt es wird gestaut aber kein Wasser gespeichert, Zu- und Abflussmenge sind gleich.

Die in hohem Maße vorhandene Wasserenergie aus der Werra kann 24 Stunden lang und ohne Unterbrechung, unabhängig von der Jahreszeit und der Witterung Strom erzeugen, welcher sich stabilisierend, gegen Schwankungen, in das Netz einbringt.

Ein Horizontalrechen verhindert das Einschwimmen von Fischen und Schwemmgut

Das modernisierte Wasserkraftwerk in Philippsthal kann 700 Haushalte mit umweltfreundlichen, effizienten Ökostrom versorgen und es können um die 2,1 Millionen Kilowattstunden pro Jahr in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden.

Auch in der Zukunft wird das Wasserkraftwerk Ökostrom in Werratal für die Marktgemeinde Philippsthal und das Umland produzieren. Außerdem macht die regionale Stromerzeugung unabhängig von hohen Transportkosten und von Stromimporten.

Der Verfasser möchte sich bei Herrn Eberlein, von der AUF Eberlein & Co. GmbH, für die Hilfe und Unterstützung bei der Erstellung des vorliegenden Beitrags bedanken.

Die Kraft des Wassers mit einer Fallhöhe um die 2,60 m

Quellen:

  •  Archiv/Schautafel der AUF Eberlein & Co. GmbH, Betriebsbesichtigung vor einiger Zeit mit Herrn Eberlein - Heimatbuch des Dorfes Philippsthal, von Karl Münch (1925)
  • Philippsthal in alten Ansichten, Band 1, von Hugo Kossick (1979)
  • Philippsthal in alten Ansichten Band 2, von Helga Klotzbach (2003), - Gemeinde Philippsthal
  • Hersfelder Zeitung
  • Internet: Wikipedia, geoOrte
auf dem Wehr mit Blick zum Krakenrain

Anmerkung:

Francis-Turbine: Sie ist eine universell einsetzbare Wasserturbine, bei ihr wird das Laufrad radial von außen angeströmt. Die Francis-Turbine wurde bereits 1849 von dem amerikanischen Ingenieur James B. Francis weiter entwickelt und nach damals neusten Erkenntnissen konstruiert.

Kaplan-Turbine: Sie werden axial angeströmt und besitzen ein verstellbares Laufrad. Die Kaplan-Turbine findet hauptsächlich in Wasserkraftwerken Verwendung. Der österreichische Ingenieur Viktor Kaplan hat sie 1913 patentieren lassen. Die Kaplan-Turbine ist eine Weiterentwicklung der Francis-Turbine.

Eingang Kraftwerk vom Werra-Wehr aus gesehen
Die Fischtreppe
Das ist die ehemalige Schaltwarte des Kraftwerks, die Schaltschränke haben ausgedient
Blick in die renovierte Turbinenhalle
Neue moderne Technik hat die Steuerung, Regelung und die Überwachung des Kraftwerks übernommen
Wehr und Kraftwerk 2023
Blick vom Krakenrain (Krähenrain) auf die Papierfabrik und das Werra-Wehr um 1905
Im Juli 1959 wurde ein großes Leiterwagenrad auf dem Schornstein der Papierfabrik direkt hinter dem Kraftwerk, als Nisthilfe für Störche aufgesetzt. Ein Hubschrauber der US-Army führte die Aufsetzarbeiten punkt genau aus. Nun fehlte nur noch Freund Adebar.
Nisthilfe für Störche
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Nisthilfe für Störche
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